Racial Profiling: Wie kann ich mich wehren?

Lesen Sie hier, wie die aktuelle Rechtslage bei Racial Profiling ist, welche Rechte Sie im Ermittlungsverfahren/Strafprozess haben und ob sich eine Klage lohnt.

Es soll ein schöner Sonntagsausflug werden. Die kleine Familie fährt mit dem Zug nach Koblenz, um die Stadt zu besichtigen und am Deutschen Eck den Rhein zu sehen. Mutter und Vater lesen Zeitung, die Tochter hört Musik und der kleine Sohn turnt auf dem Sitz herum.

Die zwei Freunde kommen vom Supermarkt. Das Gewicht ihrer Einkaufstaschen lässt sie schneller gehen; zu Hause wollen sie gemeinsam kochen. Es ist nicht mehr weit, nur noch vorne um die Ecke und dann die Straße entlang. Die beiden besprechen schon vorfreudig das Rezept.

Die Frau steht auf dem Gehweg und lehnt sich an die Fassade ihres Hauses an. Es ist schon kurz nach Mitternacht, doch die Luft ist noch lau von der Hitze des Tages. Bis eben hat die Frau gearbeitet. Sie ist Krankenpflegerin; die Schicht in der Klinik war mal wieder lang. Nach dem Abendessen zu Hause noch schnell eine Zigarette auf der Straße und dann ab ins Bett, sagt sich die Frau.

Was eint diese Erzählungen? Die Polizei. Sie steigt in den Zug ein, sie ist zu Fuß auf Streife, sie fährt mit dem Auto vorbei. Zwei Beamt*innen nähern sich den Personen. Die Papiere bitte. Schon wieder? Ich wurde schon vorletzte Woche kontrolliert. Und vor einem halben Jahr. Und letztes Jahr vier Mal. Immer schauen alle zu. In ihren Augen sehe ich die Verachtung. Meine Kinder fragen sich, was los ist.

Drei aus unzähligen Fällen von Racial Profiling

Die drei Erzählungen sind echten Fällen nachempfunden. Fällen, in denen die Polizei das Aussehen, insbesondere die Hautfarbe zum Anlass genommen hat, Menschen auf ihre Identität zu kontrollieren und zu durchsuchen – Racial Profiling eben. Der erste genannte Fall stammt aus Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2014, der zweite kommt aus Hamburg in 2017, der dritte Fall hat sich so ähnlich im Saarland in 2016 zugetragen. Jedes Mal war die Kontrolle ergebnislos, Gesetzesverstöße stellte die Polizei nicht fest.

Racial Profiling ist eine sozial ungerechte und nicht zielführende Ermittlungsmethode der Polizei und anderer Behörden. Nicht-weiße Personen werden grundlos kriminalisiert. Sie fühlen sich selbst verletzt und durch die Augen der Zuschauenden in ihrem Ansehen beeinträchtigt. Racial Profiling dient darüber hinaus nicht einer effizienten Verbrechensbekämpfung. Es verschließt der Polizei das Vertrauen von Teilen der Bevölkerung. Und die Ermittlungsbehörden vergessen, Täter*innen abseits bestimmter Zugehörigkeitsmerkmale in den Blick zu nehmen (vgl. die fehlgeschlagenen Ermittlungen zu den NSU-Morden). Ausführliche Information hierzu hat das Europäische Netzwerk gegen Rassismus zusammengestellt.

Racial Profiling: Gängige Praxis – unklare Rechtslage

Während andere Länder Racial Profiling ausdrücklich verboten haben (zum Beispiel USA, Großbritannien), ist die Rechtslage in Deutschland unklarer. Natürlich steht in keinem Gesetz, dass Personen aufgrund ihres Aussehens polizeilich kontrolliert werden dürfen. Dies stünde in klarem Widerspruch zu Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz. Zwar dürfen Polizist*innen nicht willkürlich handeln, wobei willkürlich „aus sachfremden Gründen“ bedeutet, wozu auch i.d.R. das Aussehen einer Person gehört. Aber klar geächtet wird Racial Profiling nirgends.

So manche*r Polizist*in nimmt dann – bewusst oder unbewusst – die Hautfarbe einer Person zum (Mit-) Anlass einer Kontrolle. Besonders häufig geschieht dies, wenn die Polizei anlasslos kontrollieren darf, zum Beispiel in Grenznähe zur Verhinderung der illegalen Einreise (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG) oder in sogenannten Gefahrengebieten. Aber auch ansonsten kann Racial Profiling vorkommen, etwa wenn unklar ist, wer von mehreren Personen einer Straftat verdächtig ist. Im Nachhinein ist Racial Profiling schwer festzustellen. Denn die Polizist*innen versuchen andere Gründe für die Kontrolle vorzuschieben. So haben das Oberverwaltunsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz oben im ersten Fall und das Verwaltungsgericht Hamburg im zweiten Fall Racial Profiling bejaht, im dritten Fall hat das OVG Saarland diese Frage jedoch verneint.

Racial Profiling im Strafprozess/Ermittlungsverfahren und Rechtsschutz durch Klage vor den Verwaltungsgerichten

Eine wegen Racial Profiling rechtswidrige Polizeikontrolle darf aus rechtlicher Perspektive natürlich verweigert werden. Doch liegt die Macht über die Situation in dem Moment der Kontrolle bei der Polizei und eine Verweigerung inklusive Widerstandshandlungen kann erstmal mächtigen Schlamassel nach sich ziehen. Effektiver kann dagegen verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz sein. Wobei effektiv natürlich relativ zu sehen ist, denn der rassistische Vorfall ist schließlich schon passiert. Mittels einer Klage vor dem Verwaltungsgericht kann aber immerhin festgestellt werden, dass die Polizeikontrolle rechtswidrig war. So kann sich die betroffene Person jedenfalls moralisch von dem Unrecht, das ihr angetan wurde, befreien. Es besteht außerdem die Hoffnung, dass sich in der Praxis der Polizei etwas ändert, wenn sie vermehrt mit solcherlei Klagen konfrontiert wird.

Wird bei einer Personenkontrolle, die aufgrund von Racial Profiling erfolgte, tatsächlich ein Hinweis auf eine Straftat gefunden, ist die Verwertung dieses Hinweises als Beweis für die Schuld der Person leider nicht von vorneherein ausgeschlossen. Insbesondere bei schwereren Straftaten neigt die deutsche Justiz dazu, über Fehler in der Beweiserhebung hinwegzusehen. Wird aufgrund des ersten Hinweis der Sache nachgegangen und ein zweiter Beweis gefunden, darf dieser sogar immer verwendet werden, egal wie schwer der Beweiserhebungsfehler wiegt (Stichwort fruit of the poisoned tree).