Wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft auszieht und dem Jobcenter sein neues Konto benennt, muss es keine Rückforderung wegen falsch überwiesenem Geld leisten.
Schon das gewöhnliche Verhältnis zwischen Jobcenter und einer Hartz IV leistungsberechtigten Person kann sehr kompliziert werden. Vermögen, Nebenjob, Bewilligungszeitraum, Mietkaution, Sanktionen und Rückzahlung überzahlter Nebenkosten – alles kann durcheinander geraten und am Schluss sieht man sich einer ungerechtfertigten Rückforderung des Jobcenters ausgesetzt.
Mit dieser Situation sah sich ein junger Mandant von mir konfrontiert. Bei ihm kam erschwerend dazu: Er lebte noch bei seiner Mutter und allein deren Konto war dem Jobcenter bekannt. Da die beiden eine Bedarfsgemeinschaft bildeten, ist das rechtlich kein Problem. Und auch finanziell war niemand beschwert, da die beiden schließlich beisammen lebten.
Mein Mandant hatte nun jedoch seine Ausbildung beendet und wollte mit deren Abschluss auch in eine neue Wohnung ziehen. Vor dem Umzug hatte er das Jobcenter informiert und gesagt, dass er sein Geld zukünftig auf sein eigenes Konto überwiesen bekommen haben will. Aufgrund einer intern verzögerten Bearbeitung überwies das Jobcenter jedoch noch ein Mal die monatliche Leistung meines Mandanten auf das alte Konto der Mutter. Eindeutig falsch überwiesenes Geld also!
Erst falsch überwiesenes Geld, dann ein böser Brief vom Jobcenter
In den Briefkasten meines Mandanten flatterte einige Zeit darauf die Aufforderung des Jobcenters, das fälschlicherweise an die Mutter gezahlte Geld zurückzuzahlen. Dieser war reichlich erstaunt und besorgt. Seine Mutter hatte niemals gesagt, dass sie zu viel Geld erhalten hatte. Sie und mein Mandant verstanden sich auch nicht mehr gut, sodass er nichts über den Verbleib der überzahlten Leistungen herausfinden konnte. Woher nun das Geld für die Rückzahlung nehmen?
Am besten gar nicht der Aufforderung des Jobcenters folgen! So sagte es sich glücklicherweise auch mein Mandant. Gemeinsam konnten wir die Forderung des Jobcenters in einem Verfahren beim Sozialgericht Berlin abwehren (Az. S 144 AS 7065/11).
Hinweis: Diese häufiger auftauchenden Fälle haben alle ihre jeweiligen Besonderheiten. Man kann daher nicht generell sagen, dass ausziehende Kinder nichts zurückzahlen müssen. Es zählt der Einzelfall, aber oft gibt es genug Möglichkeiten, eine Erstattungsforderung zurückzuweisen!
Was bedeuten Schwerbehinderung und Grad der Behinderung? Welche Leistungen stehen mir zu? Als Fachanwalt für Sozialrecht beantworte ich die wichtigsten Fragen.
1. Was bedeutet Behinderung im sozialrechtlichen Sinne?
Der Begriff der Behinderung hat sich im Laufe der Zeit entwickelt. Früher wurden hauptsächlich die (vermeintlichen) Funktionsdefizite von Körper und Verstand eines Menschen betrachtet. Heute wird die Behinderung ganzheitlicher gesehen. Zum einen wird auch die seelische Gesundheit (Depressionen, etc.) beachtet. Zum anderen kommt es auf die Wechselwirkungen mit der Gesellschaft an. Ein anders gearteter Körper wird nur dann zur Behinderung, wenn die Gesellschaft mit ihren Regeln und ihrer Lebensweise eine Behinderung daraus macht. Das Gesetz spricht von „einstellungs- und umweltbasierten Barrieren“ (§ 2 SGB IX). Eine Behinderung im sozialrechtlichen Sinne liegt deshalb unter folgenden Voraussetzungen vor:
Der körperliche, geistige oder seelische Zustand einer Person unterscheidet sich von dem des Bevölkerungsdurchschnitts.
Der Zustand ist chronisch (länger als sechs Monate). Es genügt ein drohender (chronischer) Zustand.
Die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ist dadurch beeinträchtigt. Es handelt sich um alle vorstellbaren Schwierigkeiten, vom Gehen über das U-Bahn-Fahren bis zum Arbeiten, etc.
2. Was ist der sogenannte Grad der Behinderung? (Tabelle)
Nun wiegt nicht jede Behinderung gleich schwer. Manche beeinträchtigen das gemeinschaftliche Leben mehr, andere weniger. Daher werden je nach Schwere auch unterschiedliche Leistungen zuerkannt. Im Sozialrecht wird zwischen Graden von Behinderung unterschieden, die in 10er-Schritten von 0 bis 100 aufgebaut sind (ähnlich wie Prozente).
Welcher Zustand und welche Krankheit und Beeinträchtigung zu welchem Grad der Behinderung führen, ist gesetzlich relativ genau festgelegt. Die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) enthält in ihrer Anlage eine umfassende Auflistung/Tabelle von Gesundheitsstörungen sowie die zugehörigen Grade der Behinderung.
Die konkrete Bestimmung des Grades der Behinderung einer Person erfolgt durch eine: ärztliche:n Gutachter:in. Aus der Praxis weiß ich, dass die Begutachtung durchaus fehleranfällig ist. Widerspruch und Klage können sich lohnen!
Hinweis: Liegen aufgrund mehrerer Beeinträchtigungen auch mehrere Grade der Behinderungen vor, kommt es nicht einfach zur Addition. Es wird vielmehr der höhere Grad der Behinderung als Ausgangsbasis genommen. Sodann gibt es einen Aufschlag für die weiteren Beeinträchtigungen in ihrer Wechselwirkung zueinander. Klingt kompliziert? Ist es auch – und daher ebenfalls eine häufige Fehlerquelle beim Thema Schwerbehinderung.
3. Was bedeutet Schwerbehinderung?
Schwerbehindert ist, wer einen Grad der Behinderung von 50 aufweist. Das ist deshalb bedeutsam, da sich hieran besondere rechtliche Folgen anschließen. Personen mit einem solchen GdB erhalten erweiterte Leistungen (siehe unten) und einen Schwerbehindertenausweis.
Personen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 30 können Schwerbehinderten gleichgestellt werden. Das heißt, sie haben im Grundsatz Anspruch auf dieselben Leistungen. Diese Gleichstellung steht allerdings unter einer Voraussetzung. Die Beeinträchtigung muss konkret dazu geeignet sein, die Teilnahme am Arbeitsleben zu gefährden, zum Beispiel durch häufige Fehlzeiten, geringere Belastbarkeit oder eingeschränkte Mobilität infolge der Behinderung. Die dann mit der Gleichstellung zur Schwerbehinderung folgenden Leistungen stehen mit diesen Nachteilen im Zusammenhang: besonderer Kündigungsschutz, behindertengerechte Arbeitsplatzausstattung, Beschäftigungsanreize für Arbeitgeber, etc.
4. Was sind Merkzeichen und welche gibt es?
Merkzeichen sind ein weiterer Bestandteil des sozialen Behinderungsrechts. Sie sind zum Teil ebenfalls in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung aufgelistet. Die Merkzeichen folgen dem Gedanken, dass manche Beeinträchtigungen, die vielleicht für sich noch nicht einmal einen Grad der Behinderung von 50 rechtfertigen, in ihrer Wirkung für das Alltagsleben besonders herausragen. Personen, denen ein solches Merkzeichen zuerkannt wurde, erhalten deshalb nochmals besondere Ausgleichsleistungen. Es gibt unter anderem folgende Merkzeichen:
Merkzeichen G: Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (zum Beispiel blinde und taube Menschen)
Merkzeichen aG: außergewöhnliche Gehbehinderung (zum Beispiel Notwendigkeit für Rollstuhl)
Merkzeichen B: Begleitung erforderlich
Merkzeichen Bl: blind
Merkzeichen Gl: gehörlos
Merkzeichen H: hilflos
Merkzeichen TBl: taubblind
Foto: Vlada Karpovich
5. Welche Leistungen gibt es auf welcher Stufe? (Tabelle)
Die Leistungen bei Behinderung sind sehr vielfältig. Eine vollständige Darstellung würde hier zu komplex geraten. Überblicksweise sei darauf hingewiesen, dass es unter anderem Leistungen in den Bereichen Arbeit, Wohnen, Geld (Geldleistungen und Steuererleichterungen), Alltagsleben (Parkplätze, uvm.), Mobilität (Begleitung, spezielle Kfz, etc.) gibt. Das im Sozialbereich tätige gemeinnützige beta-Institut hat eine hübsche tabellarische Übersicht erstellt. Ebenfalls das beta-Institut gibt jedes Jahr einen ausführlichen Ratgeber zum Thema Behinderungen und Nachteilsausgleich heraus (hier die Version für 2021).
Wie immer gilt außerdem: Beantragen Sie alles, was in Betracht kommt! Nicht Sie sollen Ihren Grad der Behinderung und die zugehörigen Leistungen feststellen. Lassen Sie das ruhig die Behörde machen. Wenn Sie dann mit dem Ergebnis unzufrieden sind, können Sie immer noch über weitere Schritte wie Widerspruch und Klage nachdenken.
6. Wo stelle ich einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderung?
Pflegebedürftigkeit betrifft irgendwann fast alle alten Menschen. Für sie und ihre Angehörigen bleibt es dennoch oft ein schwer zu überblickendes Thema.
Tipp 1: Pflegegrad vs. Pflegestufe
Mehmet ist 60 Jahre alt. Jede Woche geht er seinen Vater Mustafa besuchen. Der wohnt alleine; Mehmet bringt Einkäufe und Zeit für eine Tasse Tee mit. Mustafa würde man auf den Blick als rüstigen Rentner bezeichnen. Er ist zwar schon 85 Jahre alt. Doch ist er noch flott auf den Beinen und überholt bei seinen täglichen Spaziergängen so manchen trödeligen Hipster auf den Straßen Berlins.
Mehmet hat allerdings ein Problem. Mustafa ist dement und dies schon im fortgeschritteneren Stadium. Manchmal kommt er von seinen Spaziergängen nicht mehr nach Hause und Mehmet muss ihn suchen. Mustafa vergisst seine Medikamente, den Abwasch und die Lebensmittel im Kühlschrank. Er schließt teure Abos ab und kauft sich einen neuen Sportwagen. Mehmet müsste viel öfter zu Besuch kommen oder sein Vater bräuchte eine bessere professionelle Betreuung. Doch gibt es dafür genug Geld von der Pflegekasse?
Der Pflegegrad, bzw. die Pflegestufe entscheidet maßgeblich über die Lebensqualität im hohen Alter.
Diesen Fall habe ich einem von mir bearbeiteten Mandant nachgezeichnet. Das liegt schon einige Zeit zurück und so stellte sich die Frage nach der Unterstützung von der Pflegeversicherung noch dem alten Recht der Pflegestufen. Damals gab es im Wesentlichen drei Pflegestufen. Die Einstufung erfolgte danach, wie viel Zeit die für eine Person notwendige Hilfe benötigt.
Die Pflegestufe I gab es erst bei 90 Minuten Pflegebedarf täglich. Für Pflegestufe II waren 180 Minuten nötig, für Pflegestufe III 300 Minuten. Bewertet wurden dabei vor allem körperliche Fragen, zum Beispiel ob die Person eigenständig essen, sich anziehen oder für Bewegung sorgen kann. Demenzkranke Menschen erreichten dabei häufig nicht einmal die Pflegestufe I. Mustafa kommt von seinen Spaziergängen nicht mehr nach Hause? Naja, jedenfalls kann er noch gehen. Er vergisst zu essen? Aber er kann doch noch kochen. Mustafa verprasst sein ganzes Geld? Egal, er kann noch schreiben und sprechen.
Aufgrund dieser Mängel wurde das System reformiert und zum Jahresbeginn 2017 die Pflegegrade eingeführt. Es gibt nun fünf Pflegegrade. Die Einstufung erfolgt zwar nach wie vor mittels einer Begutachtung und eines Fragebogens. Dort spielen aber psychische und kognitive Beeinträchtigungen der Selbsthilfefähigkeit der pflegebedürftigen Person eine deutlich größere Rolle als allein körperliche Gebrechen. Auch der reine Zeitaufwand für Pflegepersonal/Angehörige hat ein geringeres Gewicht als zuvor bei den Pflegestufen. Es kommt mehr auf Fähigkeit der Person an, ein selbstständiges Leben zu führen.
Tipp 2: Wann gibt es welchen Pflegegrad?
Für die Frage, wann es welchen Pflegegrad gibt, kommt es auf das Maß der Schwierigkeiten an, die eine pflegebedürftige Person daran hindern, ein selbstständiges Leben zu führen. Um dies zu bestimmen, wird die betroffene Person mittels eines Kataloges von Fragen aus sechs Lebensbereichen begutachtet.
Tipp 3: Wie viel Geld gibt es bei welchem Pflegegrad?
Das Sozialgesetzbuch XI sieht verschiedene Leistungen bei Pflegebedürftigkeit vor. Eine Übersicht findet sich in § 28 SGB XI. Es werden dabei verschiedene Leistungsarten mit ihren jeweiligen Höchstsummen unterschieden. Dazu folgende Übersicht:
Pflegesachleistungen
Pflegegeld
Vollstationäre Pflege
Pflegegrad 1
–
–
125 Euro
Pflegegrad 2
724 Euro
316 Euro
770 Euro
Pflegegrad 3
1.363 Euro
545 Euro
1.262 Euro
Pflegegrad 4
1.693 Euro
728 Euro
1.775 Euro
Pflegegrad 5
2.095 Euro
901 Euro
2.005 Euro
Zeitpunkt der Datenlage: 26. Februar 2022
Bei der vollstationären Pflege fließt der Geldbetrag als Zuschuss an das Pflegeheim. Seit Januar 2022 gibt es hier außerdem einen weiteren besonderen Zuschlag. Die Beträge der Pflegesachleistungen erhalten Pflegebedürftige, die zu Hause von Angehörigen oder einem Pflegedienst betreut werden. Trotz des Begriffes „Sachleistungen“ fließt natürlich Geld.
Allerdings muss die Verwendung mit Rechnungen belegt werden und nur die belegte Höhe, nicht die angegeben Maximalsummen werden tatsächlich gezahlt. Pflegegeld erhält, wer ehrenamtlich Hilfe zu Hause für eine pflegebedürftige Person leistet (Angehörige, Freunde, Nachbar:innen). Neben diesen gibt es einige weitere Leistungen (zum Beispiel Tages- und Nachtpflege, Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege, Entlastungsleistungen, Wohnraumanpassung, Hilfsmittel im Pflegeheim; siehe § 28 SGB XI).
Tipp 4: Antragstellung und Rechtsmittel (Widerspruch, Klage)
Den Weg zum Erhalt von Pflegegrad und den entsprechenden Leistungen möchte ich Ihnen in einer Schritt-für-Schritt-Anleitung darstellen:
Antrag bei der Gesetzlichen Pflegeversicherung. Diese ist der Krankenkasse zugeordnet; Sie können sich also einfach an jene wenden. Ein formloser Antrag genügt, zum Beispiel eine einfache Nachricht per E-Mail.
Die Pflegeversicherung wird Ihnen nun Unterlagen zuschicken und einen Termin zur Begutachtung der pflegebedürftigen Person vorschlagen.
Die Begutachtung wird durchgeführt. Angehörige dürfen anwesend sein.
Das Ergebnis trifft ein. Ein Pflegegrad wird per „Bescheid“ zuerkannt.
Damit können Sie nun die einzelnen Leistungen der Pflegeversicherung beantragen!
Sind Sie mit dem Ergebnis der Begutachtung nicht zufrieden, zum Beispiel weil wichtige Aspekte vergessen wurden oder zu geringer Pflegegrad zuerkannt wurde, empfehle ich Ihnen, Widerspruch einzulegen. Dazu genügt ebenfalls ein formloses Schreiben an die Pflegeversicherung. Informationen dazu müssten auch auf dem Bescheid zu finden sein. Vorsicht: Die Frist zum Widerspruch beträgt einen Monat. Sie können den Widerspruch alleine einlegen oder schon an dieser Stelle eine:n Anwält:in einschalten. Spätestens bei abgelehntem Widerspruch und dann notwendiger Klage ist dies sehr zu empfehlen.
Besondere persönliche Umstände können unter engen Voraussetzungen eine Geschwindigkeitsübertretung entschuldigen. Insbesondere bei drohendem Fahrverbot lohnt es sich, hartnäckig zu bleiben.
Beispielsfall: Zu schnell gefahren wegen schwacher Blase
Das OLG Hamm hatte zum Beispiel am 10.10.2017, Az. 4 RBs 326/17, über einen Fall zu entscheiden, in dem der Betroffene wegen plötzlich auftretenden Harndrangs auf das Gas getreten war, um noch schneller an der nächsten Toilette anzukommen.
Wegen einer Prostataoperation hatte der Mann eine besonders schwache Blase. Als er im Auto auf dem Weg zu einem Termin war, verspürte er plötzlich den Drang, auf die Toilette zu gehen. Auf einer Bundesstraße versuchte er am Straßenrand zu halten. Die Verkehrslage ließ dies aber nicht zu. An diesem Tag war besonders viel Verkehr und ein Anhalten auf der schmalen Straße hätte einen Stau verursacht.
Keine Panik, wenn der Körper meckert. Immer die Ruhe behalten.
Der Harndrang wurde immer schmerzhafter und so blieb dem Angeklagten/Betroffenen nichts anderes übrig als kurz die Geschwindigkeit zu erhöhen. Der Blitzer maß eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 29 km/h. Für dieses Vergehen wollte ihm die Behörde ein Fahrverbot von einem Monat sowie 80 Euro Geldbuße aufbrummen. Dagegen setzte sich der Mann zur Wehr.
Er stritt mit der Behörde zunächst vor dem Amtsgericht, welches jedoch der Behörde recht gab. Erst in der zweiten Instanz beim Oberlandesgericht Hamm bekam der Betroffene Recht. Das Gericht entschied, dass er durch den Harndrang in einer Notlage war und sich nicht anders helfen konnte. Er musste zwar die 80 Euro Strafe zahlen – aber zumindest das Fahrverbot von einem Monat blieb ihm erspart.
Grundsatz: Keine Notstandslage bei Krankheiten
Dies ist aber ein Einzelfall. Unter Umständen kann es sogar negativ ausgelegt werden, wenn eine Krankheit die Fahrtüchtigkeit einschränkt und man sich trotzdem ins Auto setzt. Das OLG Hamm erklärte zu seiner Entscheidung, dass Menschen mit Krankheiten eine Autofahrt entsprechend planen müssen. Sie müssen Vorrichtungen treffen, damit eine Gefährdung des Straßenverkehrs vermieden wird.
Traurig aber wahr, wer krank ist, sollte sich vielleicht besser nicht hinters Steuer setzen.
Zum Beispiel vor einer Fahrt weniger trinken oder besonders viele Pausen einplanen. Außerdem sollte man die Staumeldungen und die Verkehrslage im Blick haben, wenn man nicht für eine längere Zeit im Auto sitzen kann. Auf plötzlich auftretenden Verzögerungen im Straßenverkehr muss sich jeder einstellen können, auch wenn eine Krankheit vorliegt.
Ausnahmen: Rar gesät, aber möglich
In dem bereits geschilderten Fall hatte der Angeklagte, der als Rechtsanwalt – Grüße an alle Kolleginnen und Kollegen! – tätig ist, mit seinen Rechtsmitteln teilweise Erfolg. Ein Fahrverbot blieb ihm erspart und er musste keine beruflichen Einschränkungen, die durch ein Fahrverbot verursacht werden können, in Kauf nehmen. In manchen Fällen lohnt sich ein Rechtsstreit auch bis in höhere Instanzen. Nicht erst als fachlich kundiger Rechtsanwalt.
Das OLG Köln hatte in einem anderen Fall darüber zu entscheiden, ob ein Arzt, der sich mit dem Auto zu einem Notfallpatienten begibt, ohne Notarzt (mit Blaulicht) zu sein, bei zu schnellem Fahren gerechtfertigt handelt (OLG Köln, Beschluss vom 02.05.2005 – 8 Ss-OWi 98/05). Das Gericht urteilte, dass eine Rechtfertigung nach § 16 OWiG in solch einem Fall möglich ist, es aber dennoch genau auf die Umstände des Einzelfalls ankommt.
Auch in zwei weiteren beispielhaften Fällen haben Gericht bereits Geschwindigkeitsübertretungen für gerechtfertigt/entschuldigt erachtet:
Sie ist Ärztin, Feministin und passionierte Triathletin. Geht es nach der deutschen Justiz, ist sie seit Januar 2021 auch rechtskräftig verurteilte Straftäterin. Wieso es gilt, Kristina Hänel trotzdem Respekt zu zollen.
In ihrer Praxis für Allgemeinmedizin in Gießen führt sie auch unter anderem Schwangerschaftsabbrüche im Rahmen des § 218a StGB durch. Auf der zur Praxis gehörenden Website informierte Kristina Hänel interessierte Patientinnen hierüber. Sie erklärte zudem in sachlich-nüchterner Weise die verschiedenen Methoden und den Ablauf eines Schwangerschaftsabbruches. Nichts Ungewöhnliches sollte man denken. Doch § 219a StGB verbot es niedergelassenen Ärzt*innen bis zum 28. März 2019 öffentlich darüber zu informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen; bis heute dürfen sie keine Informationen über die Art und Weise der Behandlung öffentlich anbieten (Abs. 4 Nr. 2).
Der fast vergessene § 219a StGB
Interessanterweise hat § 219a StGB lange Jahre niemanden groß interessiert. Bis 2014 lag die Zahl der diesbezüglichen Ermittlungsverfahren bei 0 bis 20 pro Jahr. Verurteilt wurde fast niemand. Wenn Betroffene die Information von ihrer Website nahmen, wurde das Verfahren in der Regel eingestellt.
Geändert hat sich das mit Yannic Hendricks und Klaus Günter Annen. Der Zeitvertreib dieser beiden Männer besteht nach eigenen Angaben darin, im Internet Jagd auf Websiten wie die von Kristina Hänel zu machen. Bei einem Treffer schreiben sie eine Anzeige an die Polizei oder Staatsanwaltschaft. So schoss die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen § 219a StGB ab 2015 in die Höhe. In einigen dieser Jahre dürften alle (!) geführten Ermittlungsverfahren auf Anzeigen von Hendricks oder Annen zurückgehen.
Ärzt*innen können einer Verurteilung immer noch meistens entgehen, indem sie die entsprechende Information einfach von ihrer Website nehmen. Doch manche weigern sich aus ideellen Gründen dies zu tun. Sie gehen davon aus, dass jede Frau das Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper besitzt, wozu auch das Recht auf sachliche Information über den Schwangerschaftsabbruch gehört.
Recht auf körperliche Selbstbestimmung
Auch Kristina Hänel denkt so. Am 12. Dezember 2019 wurde sie dafür vom Landgericht Gießen zu einer Geldstrafe von 2.500 Euro verurteilt (25 Tagessätze mal 100 Euro). Das Urteil ist rechtskräftig, da das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die hiergegen gerichtete Revision am 15. Januar 2021 zurückwies.
Das ist eine traurige Sache; dennoch möchte ich das Urteil des Landgerichts Gießen vom 12. Dezember 2019 und zur selben Sache ebenfalls Landgericht Gießen, Urteil vom 12. Oktober 2018, zur Lektüre empfehlen, auch für Laien. In Letzterem geht das Landgericht ausführlich auf die gesellschaftliche Lage zum Thema Schwangerschaftsabbruch ein (Randnummern 24-48, insbesondere 47 f). Es scheint fast zu bedauern, Kristina Hänel verurteilen zu müssen.
In Ersterem hat das Landgericht den Inhalt von Kristina Hänels Homepage 1:1 in das Urteil kopiert (Randnummer 20-71); Interessierte finden nun dort alle Informationen, die auf der Website der Ärztin verboten sind.
Das wirft zwei Fragen auf
Erstens, macht sich das Landgericht Gießen über Yannic Hendricks und Klaus Günter Annen lustig?
Zweitens, darf Kristina Hänel das Gerichtsurteil auf ihrer Website verlinken? Was soll man dazu noch sagen? Respekt für Kristina Hänel! Solidarität mit ihr und den anderen betroffenen Ärzt*innen.
In diesem Text geht es um ein paar Buchstaben, die es schon bis zum Bundesverfassungsgericht geschafft haben – und das mehrfach. ACAB steht für „All cops are basterds“, zu deutsch wörtlich „Alle Polizisten sind Bastarde“. Im übertragenen Sinne wird eine Kritik an der Polizei als Institution der Repression des Staates ausgedrückt. „Die Polizei arbeitet schlecht, weil sie berechtigte Demonstrationen unterdrückt, Mietwohnungen zwangsräumt, immigrierte Menschen schlechter behandelt, etc.“ Die Parole wird gerne von manchen in der linksradikalen Szene oder auch von Angehörigen der Ultras (Fußball) verwendet. Polizist*innen sind jedoch not amused und verstehen die Worte nicht gerade als Einladung zum Fünfuhrtee. Ganz im Gegenteil, sie erstatten Strafanzeige. Die Untergerichte machten mit und so ist schon eine Reihe an Leuten für ACAB zu einer Strafe wegen Beleidigung (§ 185 StGB) verurteilt worden.
Das Bundesverfassungsgericht zur Frage der Strafbarkeit von ACAB
Das Bundesverfassungsgericht ist dem jedoch mit den Entscheidungen vom 17. Mai 2016 (Verfahren 1 BvR 257/14 und 1 BvR 2150/14) und vom 16. Januar 2017 (1 BvR 1593/16) entgegengetreten. In seiner Begründung geht das Bundesverfassungsgericht zunächst einmal davon aus, dass eine Beleidigung grundsätzlich nur einen einzelnen Menschen treffen kann, nicht aber Kollektive wie etwa Behörden und Unternehmen. Die Beleidigung eines Kollektivs wird erst dann strafrechtlich relevant, wenn solche Umstände hinzutreten, die sie zu einem Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs werden lassen. Nach dem Bundesverfassungsgericht ist hierfür zum Beispiel die „personalisierte Adressierung“ nötig. Gemeint ist damit etwa die Person, die dem Polizisten mit ihrer ACAB-Jacke vor der Nase herumwedelt. Nach meiner Meinung ist dies eine sehr richtige Entscheidung. Je mehr Personen das „beleidigte“ Kollektiv umfasst, desto weniger wiegt die persönliche Betroffenheit des einzelnen Kollektivmitglieds. Großen Kollektiven, deren Mitglieder gerade uniform agieren sollen, werden mit ACAB schließlich nicht individuelle Fehler oder Merkmale der Mitglieder vorgeworfen, sondern ein mangelhafter Zustand des Kollektivs. Kritik an gesellschaftlichen Missständen genießt aber den Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Natürlich ist ACAB nicht gerade eine nett formulierte Kritik, vielleicht auch keine intelligente. Aber darum geht es beim Strafrecht nicht. Strafe ist das schärfste Schwert des Staates und muss als letztes Mittel den echten Fällen von Persönlichkeitsverletzungen vorbehalten bleiben (keep on fighting, Renate Künast!).
Verwandte Aussprüche
Die Straffreiheit der Parole ACAB gilt übrigens gleichermaßen hinsichtlich ihrer zahlenkodierten Version „1312“. Auch verwandte Sprüche wie zum Beispiel „FCK CPS“ (Fuck cops – Fick die Polizei) sind straffrei (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26. Februar 2015 – 1 BvR 1036/14). Die Worte „Soldaten sind Mörder“ dürfen ebenfalls verwendet werden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10. Oktober 1995 – 1 BvR 1476/91). Es gilt allerdings – wie oben ausgeführt – dass die Straffreiheit nur soweit reicht, als dass solche Bezeichnungen nicht in einen engen personalen Zusammenhang mit einem*einer einzelnen Polizist*in gebracht werden.
Dieser Artikel will rund um das Thema „Anwaltsbesuch“ aufklären. Viele, die eigentlich einen Anwalt oder eine Anwältin benötigen würden, zögern. Meist geht es um die Frage: Was kostet ein Anwalt? Kommt er oder sie mich vielleicht teurer zu stehen, als ich in der Sache gewinnen kann? Manchmal drückt aber auch der Schuh in Richtung der Themen Diskretion und anwaltliche Treue. Kann ich meinem Anwalt wirklich alles anvertrauen? Steht er dann noch immer uneingeschränkt an meiner Seite?
Das Anwaltsgeheimnis!
Die zweite Frage ist recht einfach zu beantworten. Anwält*innen unterliegen von Berufs wegen einer Geheimnispflicht. Sie dürfen vertrauliche Informationen niemals weitergeben. Anwält*innen werden sogar dafür bestraft, wenn sie es tun (§ 203 StGB). In Verbindung mit § 53 StPO müssen sie auch in Strafverfahren gegen ihre Mandant*innen schweigen. Polizei und Staatsanwaltschaft dürfen Dokumente, die das Mandatsverhältnis betreffen, nicht einsehen. Dies hat seine Grenze nur darin, dass ein Anwalt davon erfährt, dass sein Mandant schwerste Straftaten plant (§ 138 StGB). Übrigens spricht auch nichts gegen eine komplett anonyme Beratung; die Bezahlung kann in bar geschehen. Falls Sie Sorge haben, dass Ihr Anliegen zu tabuisiert oder verwerflich ist, können Sie auch an dieser Stelle beruhigt sein. Für einen Anwalt sind solche Themen nichts außergewöhnliches. Er wird Ihnen zu Beginn der Beratung einfach nüchtern mitteilen, ob er Sie zu dem Anliegen vertreten möchte oder nicht.
Die Kosten?
Um die Kosten für einen Anwalt ranken sich viele Mythen, sogar gegensätzliche: „Die Erstberatung ist immer kostenlos.“ vs. „Ein Anwalt kostet 500 Euro pro Stunde.“. Damit soll nun ein wenig aufgeräumt werden. Zuerst die guten Nachrichten: Die anwaltliche Beratung muss nicht teuer sein.
Für Verbraucher*innen gilt:
Wer eine Rechtsschutzversicherung ohne Selbstbehalt hat, für den ist sie sogar kostenlos, wenn der Rechtsbereich gedeckt ist. Manche Rechtsschutzversicherer bieten mittlerweile bisher noch nicht Versicherte auch „Sofort“-Rechtsschutz an, d.h. die Wartezeit entfällt. Auch viele Vereine bieten für ihre Mitglieder kostenlose Rechtsberatung (Mieter*innenverein, Gewerkschaft, etc).
Bedürftige erhalten die anwaltliche Beratung zudem immer für maximal 15 Euro. Das geht mit dem sogenannten Beratungshilfeschein, den das Amtsgericht des Wohnsitzes ausstellt. Kommt es übrigens zu einem Gerichtsverfahren, müssen Einkommensschwache dank der Prozesskostenhilfe gar nichts für ihren Anwalt bezahlen – Ausnahme ist nur, wenn sie in den nächsten 4 Jahren zu Geld kommen.
Auch alle anderen müssen keine Unsummen fürchten. Für eine ausführliche Erstberatung darf eine Anwältin höchstens 226,10 Euro verlangen (§ 34 RVG), viele Anwält*innen verlangen jedoch deutlich weniger. Wie viel genau kann durch einen kurzen Anruf in der Kanzlei erfragt werden.
Nach einer Studie des EHI(Forschungsinstitut des Handels) sind im Jahresvergleich 2018 zu 2017 die Inventurdifferenzen im Handel von 0,61 Prozent auf 0,63 Prozent bzw. von 4,1 Milliarden Euro auf 4,3 Milliarden Euro gestiegen. Davon entfallen 550 Millionen Euro auf sonstige Gründe (zum Beispiel Verderben von Lebensmitteln, Bruch, Organisationsversagen etc).
Der Rest wird gemopst – von MitarbeiterInnen, Lieferanten und Servicekräften, zum größten Teil aber von den Kund*innen. Klassischer Ladendiebstahl also. Den gibt es schon so lange, wie es Läden gibt. Die Zahl der Anzeigen geht allerdings zurück, 339.021 waren es in 2018 noch. Aber was genau bedeutet Ladendiebstahl rechtlich? Wie hoch ist die Strafe? Was ergibt sich Neues durch die Selbstbedienungskassen in Supermärkten? Und was kann ich als Beschuldigte*r tun?
Der Ladendiebstahl kurz erklärt
Ladendiebstahl ist ein Begriff aus dem Alltag und der Kriminalitätsstatistik. Rechtlich gesehen handelt es sich um einen gewöhnlichen Diebstahl nach § 242 StGB. Es stiehlt, wer eine fremde, bewegliche Sache wegnimmt und sie sich zueignet. Im Laden kann das etwa dadurch geschehen, dass Waren in die Hosentasche gesteckt und nicht bezahlt werden.
Oder die Ware wird in den Einkaufswagen gelegt, zugedeckt und an der Kasse vorbeigeschmuggelt. Die Strafe dafür ist Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre. Ersttäter können oftmals mit einer Geldstrafe oder sogar Einstellung des Verfahrens gegen Auflage rechnen. Bei wiederholter Strafverfolgung gehen die Strafen nach oben.
Schlimmer wird es in den Fällen des § 243 StGB und für die Unglücklichen, die etwa ein Taschenmesser bei sich führen (§ 244 StGB, ab sechs Monate Freiheitsstrafe) oder sich mit Gewalt oder Drohung des Ladendetektivs erwehren (§§ 249, 252 StGB, ab ein Jahr Freiheitsstrafe; hierzu auch folgendes Erklärvideo mit Rechtsanwalt Marek Schauer). Im einfachen polizeilichen Führungszeugnis tauchen in der Regel übrigens Erstverurteilungen ab über drei Monaten Gefängnis bzw. 91 Tagessätzen Geldstrafe auf.
Diebstahl bei Selbstbedienungskassen?
Selbstbedienungskassen in Supermärkten werden häufiger; viele Betreiber erhoffen sich durch sie eine Ersparnis bei den Personalkosten. Doch laden Selbstbedienungskassen auch vermehrt zum Diebstahl ein? Jedenfalls sind die Möglichkeiten etwas zahlreicher: nur einen Teil der Waren scannen, das Etikett eines günstigeren Produkts scannen, ein günstigeres Produkt eingeben. Rechtlich gesehen ist auch all das Diebstahl nach § 242 StGB.
Denn der oder die Ladenbetreiberin hat zwar seine Zustimmung zur Übereignung der Produkte an den Automaten delegiert. Doch der gibt seine Zustimmung schließlich nur für den gescannten Teil der Ware und das günstigere Produkt (vgl. hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 08.08.2013 – 5 RVs 56/13).
Viele Supermarktbetreiberinnen stellen wegen des vermehrten Diebstahls bei Selbstbedienungskassen übrigens eine Aufsichtsperson extra für den Selbstbedienungsbereich ab. Die nette Person, die einen begrüßt und einweist, ist also nicht Service, sondern Diebstahlaufsicht.
Meine Rechte als Beschuldigte*r
Sie haben von der Polizei oder Staatsanwaltschaft einen Brief zur Anhörung wegen Ladendiebstahls bekommen? Ihnen wurde bereits eine Klageschrift oder ein Strafbefehl zugestellt? Das Wichtigste ist nun, ruhig Blut zu bewahren und zunächst keine Aussage gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zu tätigen.
Erfragen Sie anwaltlichen Rat und besprechen Sie gemeinsam die nächsten Schritte. Mit guter Argumentation lässt sich so mancher Vorwurf strafbaren Handelns entkräften. Gar nicht selten funktionieren die Selbstbedienungskassen zum Beispiel nicht richtig: Die falsche Ware ist im System hinterlegt oder der Scanner hat unbemerkt nicht funktioniert. Oder in der Hektik an den Kassen wurde ein Artikel in der Einkaufstasche vergessen, aber nicht geklaut.
Oft kann so der Vorsatz entkräftet und, wenn schon nicht ein Freispruch, dann aber die Einstellung des Verfahrens erreicht werden, was ein langwieriges Verfahren und die Eintragung im Bundeszentralregister und im Führungszeugnis erspart.
Seit 01. August 2013 haben Kinder schon ab dem zweiten Lebensjahr Anspruch auf Betreuung und Förderung in einer Kindertagesstätte oder der Kindertagespflege. Dabei handelt es sich um einen staatlich garantierten Rechtsanspruch (§ 24 Abs. 2 und 3 SGB VIII), zuständig für die Bearbeitung sind die Jugendämter. Leider hat es der Staat im Vorfeld der gesetzlichen Neuregelung versäumt, genügend in den Ausbau der Betreuungsangebote zu investieren. So gab es zwar nun den Rechtsanspruch auf Betreuung, aber die Wartelisten der Kitas wurden dadurch nicht kürzer. Noch heute stehen reihenweise Eltern trotz monatelanger Suche ohne Betreuungsplatz für ihr Kind da. Leider stehlen sich viele Jugendämter aus der Verantwortung. Hier hilft es, hartnäckig zu bleiben. Mittels einer Klage können sich Eltern beides holen: einen Betreuungsplatz für ihr Kind und entgangenes Einkommen.
Die Klage auf Nachweis eines Betreuungsplatzes
Da der Anspruch auf Betreuung in einer Bereitstellungspflicht des Staates resultiert, können Eltern vor den Verwaltungsgerichten Klage auf Verpflichtung des Staates erheben, ihnen einen Betreuungsplatz für ihr Kind anzubieten. Interessanterweise finden die Jugendämter dann doch Betreuungsplätze, sobald sie verklagt werden. Irgendwo scheint es da eine Reserve zu geben. Wählt man zudem den Weg des Eilrechtsschutzes kann so innerhalb eines Monats ein Betreuungsplatz erstritten werden.
Die Klage auf Schadensersatz wegen Verdienstausfall
Stellen die Jugendämter keinen Betreuungsplatz bereit, erleiden berufstätige Eltern Einkommensverluste, da sie ihr Kind nun selbst zu betreuen haben. Doch mithilfe einer Klage auf Schadensersatzes wegen Verdienstausfall können sich Eltern das verpasste Einkommen vom Staat zurückholen. Denn der Staat hat schließlich seine Pflicht zur Bereitstellung eines Betreuungsplatzes verletzt! Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Verdienstausfall resultiert aus § 839 BGB, Art. 34 GG. Leider zeigen sich die Jugendämter in diesen Verfahren etwas widerborstiger als bei den Klagen auf Nachweis eines Betreuungsplatzes. Hier eine Sammlung der beliebtesten Ausreden, die mir bisher in meiner Praxis untergekommen sind:
„Wir finden nicht genügend Arbeitskräfte (ErzieherInnen).“
„Das neue Kita-Gebäude wird nächstes Jahr fertig.“
„Die Flüchtlinge waren es. Ja! Die Flüchtlingswelle hat alle Kitaplätze leergefegt.“
„Der Rechtsanspruch dient nur der Förderung der Kinder. Wir haben keine Pflicht, die Eltern vor Einkommensverlusten zu schützen.“ (= Wenn wir die Pflichten verletzen, passiert uns nichts.)
„Der Rechtsanspruch gilt nur für einen Halbtagesplatz.“
Teils sind das dreiste Ausreden, teils gewichtige Argumente. Letztere habe ich aber in mehreren Verfahren vor verschiedenen Landgerichten schon entkräftet und so für die Eltern Schadensersatz wegen Verdienstausfalls in Höhe von unter anderem ca. 10.000 Euro erstritten.
Seitdem die Ermittlungsbehörden verstärkt gegen Internethandelsplätze für Drogen, Waffen und andere illegale Handelswaren vorgehen, mehren sich auch die Strafverfahren gegen vermeintliche KäuferInnen. Denn wenn die Polizei die realen Personen ermittelt, die hinter einem Internethändler für Drogen stehen, wird nicht nur der oder die HändlerIn angeklagt. Häufig findet die Polizei auf dem Computer oder in der Wohnung der VerkäuferInnen auch Namen und Anschriften weiterer Personen, die dann für die KäuferInnen der Drogen gehalten werden. Und schon ist der Brief mit der Vorladung zur Vernehmung bei Polizei oder Staatsanwaltschaft im Briefkasten.
Keine Verurteilung vor dem Beweis der Schuld
Doch das muss nicht gleich das Ende der Geschichte sein. Denn wer nichts bestellt hat, darf auch nicht verurteilt werden! Und das müssen die Ermittlungsbehörden erst beweisen. Hierzu ist es in der Regel nicht ausreichend, wenn lediglich Ihr Name und Ihre Adresse in den Unterlagen der DrogenhändlerInnen auftauchen. Schließlich könnte jemand anderes auf Ihre Anschrift eine Bestellung gemacht haben – sei es um Ihnen zu schaden oder um die eigene Person zu verschleiern und die Lieferung abzufangen. Besonders einfach geht letzteres bei Mehrparteienhäusern oder Wohngemeinschaften. Außerdem geht aus den Daten, die den Ermittlungsbehörden vorliegen, oft nicht hervor, ob die Drogen überhaupt verschickt wurden, ob sie angekommen sind und bei wem. Das haben schon verschiedene Gerichte so gesehen.
Wie kann ich mich gegen ein Ermittlungsverfahren zur Wehr setzen?
Als erfahrener Anwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt im Strafrecht habe ich bereits viele MandantInnen erfolgreich gegen den Vorwurf des Erwerbs von Drogen nach § 29 BtMG verteidigt. Üblicherweise beantrage ich zuerst Akteneinsicht, um den Kenntnisstand der Ermittlungsbehörden in Erfahrung zu bringen. Danach kann ich meist durch eine sogenannte „Schutzschrift“ das Ermittlungsverfahren noch vor der Anklage zur Einstellung aus Mangel an Beweisen bringen.
Und wie immer gilt: Kein Wort zu den Ermittlungsbehörden vor der Rücksprache mit Ihrem Anwalt!